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Wort zum Wochenende

Eine Kultur des Angewiesenseins

Die Diskussion um die Sterbehilfe findet häufig unter dem Gesichtspunkt der Autonomie statt, so Pfarrer Hartmut Grosch

Eine Kultur des Angewiesenseins einüben

Frau H. ist 86 Jahre alt, sie leidet stark unter Osteoporose, ihren linken Arm kann sie kaum mehr heben. Sie geht gebeugt und sehr langsam. Sie ist sehr wackelig und sturzgefährdet. Das Herz ist schwach, eine der Herzklappen schließt nicht mehr richtig. Zuletzt musste sie das Kochen aufgeben. Seitdem auch das Atmen schwer fällt, sind die Angehörigen auf der Suche nach einer zusätzlichen Betreuung. Frau H. fällt es schwer auf andere angewiesen zu sein. Am liebsten würde sie sterben, damit sie ihren Kindern nicht mehr zur Last fällt.

Warum ist das heute so, dass Menschen verstärkt dazu neigen, allein den Zustand auf andere angewiesen zu sein als ausreichenden Grund dafür zu nehmen, dieses Leben oft sogar komplett abzulehnen? Sind das rein persönliche Gründe oder gibt es Motivationen in unsrer Gesellschaft, die es einem Menschen heutzutage schwer machen sich anderen Menschen zuzumuten.

Die Diskussion um die Sterbehilfe findet häufig unter dem Gesichtspunkt der Autonomie statt. Fast nach dem Motto: Autonomie ist alles, angewiesen sein ist nichts. Leben abzulehnen, das nicht autonom ist, das auf andere angewiesen ist, hat in der Tendenz die Zielrichtung gebrechliches oder behindertes Leben überhaupt abzulehnen. „Der moderne Mensch glaubt, das gesamte Leben vollkommen kontrollieren zu müssen, und das, was er nicht kontrollieren kann, lehnt er von vornherein ab (Prof. Maio, Medizinethiker)“. Verkannt wird dabei grundlegend, dass wir immer schon in einem Verhältnis des Angewiesenseins leben. Als Kind sowieso, ja selbst als gesunder Erwachsener. Und Sterben ist gerade dadurch charakterisiert, eben nicht absolut kontrollierbar zu sein. Natürlich wünscht sich jede/r am Ende des Lebens weitestgehend autonom zu sein, aber daraus den Umkehrschluss zu ziehen, angewiesenes Leben als verzichtbar oder gar menschenunwürdig abzulehnen, achtet gerade nicht die Würde des Menschen, die ihm unabhängig von Leistung oder Erfolg innewohnt. Gerade dadurch, dass der angewiesene Mensch sich in die helfende Hand eines anderen Menschen begibt, erhebt er das zu einem unverzichtbaren Wert, was eine humane Gesellschaft auszeichnet: Die Würde des Menschen.

Eine Kultur des Angewiesenseins einzuüben, also, nicht immer nur bestimmen zu wollen, sondern sich auch bestimmen zu lassen, kann sehr befreiend sein. Christlicher Glaube gibt hier nicht nur im Gekreuzigten und Auferweckten vielfältige Antworten.

Pfarrer Hartmut Grosch, Krankenhausseelsorger