Aus Erfahrung wird man klug!
Das neue Jahr hat begonnen. 366 Tage (Schaltjahr!) liegen vor uns. Was wird das Jahr 2020 bringen? Was wird sich ereignen? Welches werden meine Herausforderungen sein? Wo möchte ich Neues wagen? Wo möchte ich einen Schlusspunkt setzen? Fragen, die am Beginn eines Jahres stehen können.
Das Symbol des Weges ist ein uraltes Symbol, das dem Menschen und seinem Leben entspricht. Das ganze Leben ist wie ein Weg. Es ist nicht abgeschlossen. Der Mensch unterliegt Prozessen, Veränderungen, Geschehnissen, die er nicht selbst im Griff hat. Schritt für Schritt geht jeder Mensch seinen Weg; mal ist es eine gerade Strecke mit interessanter Aussicht, mal ist es kurvenreich, und man kann nicht absehen, was für Überraschungen nach der nächsten Kurve warten. Es gibt steile und ebene Wege, es gibt Mühen, Anstrengungen und Entscheidungen. Es gibt andere Menschen, die eine oder mehrere Etappen oder gar den gesamten Weg mitgehen. Es gibt Erinnerungen und Erfahrungen, welche die Strecke spontan oder mit Vorbereitung gehen lassen.
Interessant ist, dass sprachlich gesehen Weg und Wagnis vom Wortstamm her die gleiche Bedeutung haben. So ist ein Weg immer auch ein Wagnis, da es mit einem Aufbruch zu tun hat. Eine weitere Bedeutung des Wortes Weg hat mit Sinn zu tun – ein Weg ist ein Weg der Sinnsuche, die der Mensch immer wieder von neuem angehen muss.
Im ersten Buch der Bibel kommt Abraham der Aufforderung von Gott nach: „Geh fort aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde! Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein.“ Abraham wagt sich auf den Weg, obgleich er nicht weiß, was ihn erwartet. Er vertraut Gott und zieht fort.
Des Menschen Weg ist ein Weg voller Erlebnisse und Erfahrungen. Ohne diese kommt der Mensch auf seinem Lebensweg nicht voran, ohne sie ist er nicht, was er ist. Erfahrungen gehören zum Menschsein. Nicht von ungefähr sprechen viele Kulturen seit jeher Menschen mit viel Erfahrung Weisheit zu, eine Lebensweisheit, die sich der Mensch nicht anlesen kann.
Erfahrung setzt zum einen Sicherheit und Tradition voraus und zum anderen hat Erfahrung aber auch immer einen experimentellen Charakter – nach dem Motto: „Lass mich meine eigenen Erfahrungen machen“ oder „aus Erfahrung wird man klug“.
Es ist ein Wagnis, den Weg ins neue Jahr zu gehen. Die Worte der Präfation des Ersten Schweizer Hochgebetes können uns dabei Hilfe und Begleitung für unseren Lebensweg durch das Jahr 2020 sein: „Wir danken dir, Gott unser Vater, denn du hast uns ins Leben gerufen. Du lässt uns nie allein auf unserem Weg. Immer bist du für uns da. Einst hast du Israel, dein Volk, durch die weglose Wüste geführt. Heute begleitest du die Kirche in der Kraft deines Geistes. Dein Sohn bahnt uns den Weg durch diese Zeit zur Freude des ewigen Lebens.“
Dr. Regina Postner
Mitarbeiterin im Kloster Oberzell
Theologin und Leitung des Bildungs- und Tagungshauses Haus Klara