Heute wird das Olympische Feuer in Paris wieder entfacht und zwei Wochen purer Sportleidenschaft, Wettstreit, aber auch Gemeinschaftsgefühl eröffnet. Eine Kombination an Idealen, die sich in dieser Zusammensetzung wahrscheinlich nur im Sport finden und für die Athletinnen und Athleten von großer Bedeutung sind.
Sie reisen als einzelne Sportler nach Paris an, die gezielt um Gold, Silber und Bronze ringen und kehren in ihre Heimatländer als Teil einer sportlichen Großfamilie und eines größeren Ganzen zurück. Die olympische Idee drückt eine Sehnsucht aus, die sich nicht immer realisiert: Wir wetteifern in den sportlichen Disziplinen, doch im Herzen sind wir alle vereint.
Heute wird auch ein Feuer entfacht, das vor 52 Jahren in München beim Attentat auf die israelische Mannschaft beinahe zum Erlöschen gebracht wurde. Während israelische Sportler schon als Geisel genommen und zwei von ihnen ermordet worden waren, liefen die Spiele zunächst ungerührt weiter. Das Motto lautete: "The games must go on".
Man kann es sicherlich so auslegen, dass der Sport sich nicht von Terroristen erpressen lassen dürfe. Für mich selbst gilt freilich: Seit jenem Tag erkenne ich in jüdischen Sportlern – ob aus Israel oder aus ihren jeweiligen Heimatländern –, die zu olympischen Spielen antreten, auch Botschafter des jüdischen Spirits und des Miteinanders, das so viel mit der olympischen Idee gemeinsam hat. Sie zeigen deutlich, dass die jüdische Community couragiert, selbstbewusst und lebendig ist.
Umso bedrückender ist das gegenwärtige Klima: Die Polizei nahm zwei junge Männer wegen mutmaßlicher Anschlagspläne auf „jüdische Ziele“ während der Olympischen Spiele fest.
Seit Wochen werden lautstarke Forderungen nach dem Ausschluss Israels von den Olympischen Sommerspielen hörbar. Auch einige Abgeordnete aus dem französischen und dem EU-Parlament sprechen sich in plumper Täter-Opfer-Umkehr für Sanktionen gegen Sportverbände aus dem jüdischen Staat aus.
Die Einsamkeit israelischer Sportlerinnen und Sportler dieser Tage wiegt schwer. Sie werden von bewaffneten Sicherheitskräften begleitet, die physische Angriffe eindämmen sollen. Vor sozialen und gesellschaftlichen Ausschluss hingegen können Sicherheitskräfte keinen Schutz leisten. Jüdische Sportlerinnen und Sportler aus aller Welt haben keinen Einfluss auf das Kriegsgeschehen, einige von ihnen trauern um Angehörige, alle eint die Sorge um die Geiseln und das anhaltende Trauma der Verletzlichkeit des einzigen jüdischen Staates.
Mögen die Spiele zu einem Ort der Begegnung und der Freundschaft werden und ein kraftvolles Zeichen sein, dass auch Jüdinnen und Juden in diesen Zeiten nicht alleine sind.
Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland