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Wort zum Wochenende

Die Tötung des Kindes vergeben?

Einstweilen sind wir als Christen gefordert, durch unsere Fürbitte die Mütter dieser Welt in ihrem Schmerz mitzutragen und sie mit unserer Fürsorge zu begleiten, so Bischof Dr. Franz Jung.

Es ist der Abend des Karfreitags. Die johlende und gaffende Menschenmenge ist verschwunden. Das Exekutionskommando wurde abgezogen. Die Jünger Jesu hatten lange schon die Flucht ergriffen. An diesem Abend wird es still. Nur eine Frau bleibt ganz allein zurück, Maria, mit ihrem toten Kind auf dem Schoß. Und erst jetzt, nach dem gleichermaßen traumatischen wie unwirklichen Geschehen auf Golgotha kommt die Mutter Jesu zur Ruhe. Es ist genau in diesem Moment, da sie den unendlichen Schmerz überhaupt erst zu ermessen beginnt. Der Moment, in dem sie ahnt, was da passiert ist und wen sie verloren hat. Der Moment, in dem eine tiefe Trauer ihr den Boden unter den Füßen wegzuziehen beginnt.

Eine erschütternde Szene, viel tausendfach durchlebt und durchlitten: von Lohr bis Mariupol, von Gaza bis Srebrenica und und und. Wir würden uns am liebsten abwenden und weglaufen, denn es ist wirklich nur schwer erträglich, das mitansehen zu müssen. Und doch mutet uns die Kirche am Gedenktag Mariä Schmerzen genau diese Szene zu. Denn sie spiegelt wie keine andere das namenlose Leid unzähliger Mütter auf Erden wider, die fassungslos vor dem Tod ihrer Kinder stehen. Generationen von Müttern haben genau vor diesem Bild verweilt und sich wiedergefunden in ihrer Trauer und ihrem Schmerz.

„Ein Schwert wird dir durch die Seele dringen“ hatte einst der greise Simeon Maria geweissagt als sie ihr Kind nach der Geburt in den Tempel brachte. Das lange verdrängte Wort fällt nun mit voller Wucht in ihr Herz. Das also war das Ziel der Menschwerdung Gottes, hinabzusteigen in die dunkelste Nacht unseres Lebens. Denn Erlösung gibt es nicht am Leiden vorbei. Erlöst werden kann nur das, was vorher angenommen wurde. Nur das kann verwandelt werden.

Aber kann man so etwas annehmen? Kann eine Mutter so etwas annehmen? „Du bist voll der Gnade“, hatte der Engel einst zu Maria gesagt. Ein Wort, das an diesem Abend wie Hohn klingt. Und doch bekommt es erst jetzt sein ganzes Gewicht. In der Tat, solches annehmen zu können, ist ein Geschenk der Gnade, denn es übersteigt menschliche Kraft. „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ So hatte Jesus noch im Sterben für seine Mörder gebetet. Die Tötung des eigenen Kindes vergeben? Wenn überhaupt, dann nur, weil Christus für seine Mörder gebetet hat. Allein die göttliche Vergebung durchbricht den Teufelskreis von Rache, Vergeltung und sinnlosem Morden. Es ist der Ernstfall des Glaubens. Bis die Morgenröte des Ostersonntags aufgeht, dauert es seit diesem Karfreitagabend gefühlt eine Ewigkeit. Einstweilen sind wir als Christen gefordert, durch unsere Fürbitte die Mütter dieser Welt in ihrem Schmerz mitzutragen und sie mit unserer Fürsorge zu begleiten.

Bischof Dr. Franz Jung