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Wort zum Wochenende

Fragen brauchen Antworten

Nicht zu antworten, ist richtig schwer, so Pfarrerin Anna Bamberger.

„Darf ich ans Tablet?“ „Wo ist Kleber?“ „Wieso schmilzt Eis?“ „Was gibt es zu essen?“ Ich beantworte meinen Kindern unzählige Fragen. Vor allem in den Ferien fällt mir das auf.

Als Pfarrerin werde ich auch viel gefragt: Denken Sie, er wird das schaffen? Warum ich? Wieso hat sie uns das angetan? Menschen vertrauen mir ihre schlimmsten Fragen an. Manchmal bin ich dann versucht. Mir schießen Reste von Formeln für Wahrscheinlichkeiten in den Kopf. Ich erinnere mich an die Erzählung einer anderen Krebspatientin. Manchmal drängt sich ein Bibelvers nach vorne.

So sind wir Menschen. Fragen brauchen Antworten. Ist etwas rätselhaft, suchen wir Erklärungen. Je schlimmer etwas ist, desto dringlicher fragen wir.

Heute vor einer Woche starben Menschen in Solingen. Sie wurden angegriffen mit einem Messer auf einem „Festival für Vielfalt“. Der Täter war flüchtig. Das ist alles, was in den ersten Stunden bekannt war. Auch am Tag danach bat die Polizei, Ermittlungen abzuwarten. Gleichzeitig überschlugen sich die Fragen und mit ihnen die schnellen Antworten. Journalistische Medien informierten unter Vorbehalt, bei Social Media wusste gefühlt jede/r was zu sagen, Politiker/-innen schlugen Lösungen vor. In die Leerstellen des Wissens drängten sich persönliche Erfahrungen, politischen Überzeugungen und purer Populismus.

„Warum?“ Als Seelsorgerin habe ich gelernt, mir möglichst viel von den schnellen Antworten zu verkneifen. Vertraut mir jemand eine dringliche Frage an, ertrage ich sie. Ich halte sie aus. Schnelle Antworten würdigen nicht den Schmerz, die Verzweiflung, das Unfassbare. Sie achten nicht die Tiefe der Frage und nicht die Not der Fragenden.

Nicht zu antworten, ist richtig schwer. Manchmal sogar körperlich anstrengend. Trotzdem mute ich es mir zu. Es ist für mich eine christliche Überzeugung. Ich habe nicht alle Antworten. Ich weiß, wo Socken und Spielzeug ist. Von den wirklich wichtigen Fragen kann ich erschreckend wenig ehrlich beantworten. Wird es anstrengend, gebe ich die Frage weiter. „Gott, wieso? Warum konnte das passieren? Es ist mir unbegreiflich, was in Solingen geschehen ist.“

Gebete sind keine Ermittlung und ersetzen keine politischen Handlungen. Was mir hilft, muss für Sie nicht gut sein. Ich wünsche uns aber, dass wir nicht auf die schnellen Antworten hereinfallen. Dass wir gemeinsam zugeben, (noch) keine Antwort zu haben. Meiner Erfahrung nach tut es gut – auch wenn es schwer ist. Es gibt Raum für das Entsetzen und macht Platz für ehrliche, tragfähige Antworten.

Pfarrerin Anna Bamberger, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Würzburg-Rottenbauer