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Wort zum Wochenende

"Nausgehen" in ein neu geschenktes Lebens

Papst Franziskus sieht die Zukunft der Kirche im Hinausgehen an die Ränder unserer gewohnten Lebensbereiche, so Pfarrerin Angelika Wagner

Endlich wieder rausgehen, in den Biergarten, an den Main. Endlich wieder Freund*innen treffen. Endlich wieder in die Schule. Eine nahezu heitere Stimmung hat sich in der Stadt verbreitet. Fast 500 Tage lang hat uns die Pandemie in die Isolation gezwungen. Eine Zeit, verbunden mit Erschöpfung, Ärger, Schmerz und manchmal Trauer. Noch kann ich meinen Augen nicht ganz trauen, taste mich vorsichtig durch die Menschenmenge, als müsse ich das Hinausgehen erst wieder erproben. Aber – müssten wir nicht verändert aus der Pandemie herausgehen?

Pfingsten, der Ursprung der Kirche, fand 50 Tage nach Ostern statt und bestand im Hinausgehen nach einer Zeit der Verunsicherung, der Isolation und der Trauer. Und darin, dass die Apostel die Sprachen ihrer Mitmenschen ganz neu verstehen und schließlich sprechen lernten. Papst Franziskus sieht die Zukunft der Kirche im Hinausgehen an die Ränder der Gesellschaft. Im Hinausgehen aus Gewohnheiten, die manchmal alt und kritikwürdig geworden sind und die zutiefst erschüttert wurden. Werden wir mit einem neuen Blick hinausgehen, bis an den Rand unserer Gesellschaft? An den Rand unserer gewohnten Lebensbereiche? An den Rand des Lebens und Sterbens? Vielleicht haben wir gelernt, das Leben mehr zu schätzen, auch das Leben an den Rändern.

Während wir uns durch die Straßen tasten, helfen uns in diesen Tagen Bilder in Würzburg, die vom Rand Europas kommen: von der griechischen Insel Lesbos. Wir finden sie in zahlreichen Schaufenstern, Läden, der Marienkapelle. Künstler*innen aus dem ehemaligen Flüchtlingscamp Moria machen uns deutlich, dass wir gemeinsame Werte und Ideale haben, die uns aus der Krise herausführen können. Sie mussten „raus“ aus ihrer Heimat und haben nun keinen sehnlicheren Wunsch, als „raus“ zu kommen aus dem Camp. Ihre Bilder erinnern mich persönlich an die Worte einer Frau mit Behinderung, die bei ihren Eltern im Seniorenheim lebte. Ihre Körperhaltung war leicht gebückt, und immer wiederholte sie „naus, naus, naus“. Irgendwann erzählte die Mutter, dass sie die Tochter in der NS-Zeit über Jahre hinweg in einer Abstellkammer versteckt hielt, damit sie nicht ermordet wurde. Der gebeugte Rücken und das unentwegte „naus, naus, naus“ erinnerte an diese Geschichte eines neuen, geretteten Lebens.

Manch ein Rücken ist heute gebeugt durch das lange Homeoffice, die fehlende Bewegung, die Sorgen. Doch gehen wir gemeinsam „naus“ in ein neu geschenktes Leben. Mit dem Blick zu den Rändern unserer Gesellschaft, mit einer neuen Sensibilität.

Pfarrerin Angelika Wagner